Älterer Mann liest Hinweise zu Blutverdünnerm
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Verschiedene Wirkstoffe

Blutverdünner – Medikamente gegen Thrombosen

Von: Tanja Heil (Medizinautorin)

Blutverdünner werden oft zur Vorbeugung von Blutgerinnseln eingesetzt, insbesondere bei Herz-Kreislauferkrankungen. Die einzelnen Medikamente haben unterschiedliche Wirkprinzipien. Doch wie vertragen sich Blutverdünner und Alkohol und welche Nebenwirkungen gibt es?

Ablauf der Blutgerinnung

Normalerweise dient die Blutgerinnung dazu, bei einer Verletzung die Wunde zu verschließen und den Blutverlust zu stoppen. Dafür klumpen Blutplättchen (Thrombozyten) zusammen und bilden auf diese Weise eine Barriere. Gleichzeitig zieht sich das Gefäß zusammen, damit weniger Blut hindurch fließt. Parallel löst die so genannte Gerinnungskaskade weitere Reaktionen für die Heilung aus. Sie sorgt dafür, dass sich das Eiweiß Fibrin bildet, mit dem der Thrombozyten-Pfropf umsponnen und verfestigt wird.

Blutverdünner: Was sind Antikoagulantien?

Blutverdünner (Antikoagulantien oder Antikoagulanzien) machen das Blut nicht dünner, sondern setzen die Blutgerinnung herab. Der Fachausdruck dafür lautet Antikoagulation (aus dem Griechischen „gegen die Zusammenballung“).

Der Begriff Blutverdünner bezeichnet eine Gruppe von Medikamenten, die an verschiedenen Stellen in diese Gerinnungskaskade eingreifen. Dabei gibt es diese Gruppen von Wirkmechanismen:

  • Vitamin-K-Antagonisten
  • Heparine
  • Thrombozytenaggregationshemmer
  • Direkte orale Antikoagulantien (DOAKS)
  • Selektive Faktor-Xa-Hemmer

Wichtig ist bei allen Blutverdünnern eine regelmäßige Verabreichung. Für die Dosierung stehen häufig Tabellen zur Verfügung, insbesondere bei den Vitamin-K-Antagonisten. Ein plötzliches Absetzen ohne ärztliche Absprache kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Wann werden Blutverdünner eingesetzt?

Die Antikoagulantien dienen sowohl zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen und Venenerkrankungen als auch der Thromboseprophylaxe. Vor allem bei folgenden Krankheiten kommen sie zum Einsatz:

Außerdem senken Blutverdünner das Risiko von tiefen Beinvenenthrombosen. Besonders bei längerer Bettlägerigkeit – etwa während einer Krankheit – werden oft Blutverdünner verordnet, um die Gefahr von Thrombosen zu reduzieren.

So wirken Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine)

Blutverdünner wie Phenprocoumon, Acenocoumarol und Warfarin vermindern die Aufnahme von Vitamin K ins Blut. Viele Gerinnungsfaktoren benötigen jedoch Vitamin K für ihre Funktion. Steht dieses nicht ausreichend zur Verfügung, wird die Blutgerinnung herabgesetzt. Allerdings kann die Wirkung dieser Medikamente durch Schwankungen bei der Einnahme von Vitamin K in der Ernährung beeinflusst werden. Größere Mengen Alkohol (mehr als ein Glas Wein oder Bier am Tag) können Vitamin-K-Antagonisten ebenfalls beeinträchtigen. Cumarine werden als Tabletten eingenommen. Die Dosierung wird für jeden Betroffenen individuell ermittelt anhand des INR (International Normalized Ratio), des Laborwerts für die Blutgerinnung. Sie muss regelmäßig überprüft werden, zu Beginn oft täglich. Es dauert zwei bis vier Tage, bis die Wirkung der Cumarine einsetzt.

Heparine als Blutverdünner

Heparine gibt es nicht als Tabletten, sie müssen als Spritze oder Infusion verabreicht werden. Dabei existieren zwei Sorten: das unfraktionierte, hochmolekulare Heparin und das fraktionierte niedermolekulare Heparin. Heparine aktivieren das Protein Antithrombin, welches die Blutgerinnung herabsetzt, und beeinflussen weitere Gerinnungsfaktoren. Heparine werden sowohl zur Vorbeugung gegen Blutgerinnsel eingesetzt – etwa nach einer Operation – als auch nach einem Herzinfarkt oder einem Anfall von Angina pectoris. Heparin ist auch als Salbe oder Gel gegen Blutergüsse und Prellungen erhältlich.

Thrombozytenaggregationshemmer

Thrombozytenaggregationshemmer verhindern oder verzögern das Verklumpen der Blutplättchen. Dabei greifen die verschiedenen Wirkstoffe an unterschiedlichen Stellen der Gerinnungskaskade ein. Der am häufigsten verordnete Plättchenaggregationshemmer ist Acetylsalicylsäure (ASS). Weiterhin kommen ADP-Hemmer wie Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor und Ticlopidin zum Einsatz sowie Phosphodiesterasehemmer wie Cilostazol. Häufig werden diese Wirkstoffe auch in der Anwendung kombiniert. Sie dienen bei Arteriosklerose zur Vorbeugung eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls. Thrombozytenaggregationshemmer werden als Tabletten eingenommen.

Direkte orale Antikoagulantien (DOAKS)

Seit einigen Jahren sind Antikoagulantien auf dem Markt, die oral als Tabletten bis zu zweimal täglich eingenommen werden, wodurch die Blutgerinnung gezielter kontrolliert werden kann als durch Vitamin-K-Antagonisten. Sie wirken auf die Gerinnungsfaktoren Xa oder IIa. Sie haben zusätzlich den Vorteil, dass ihre Wirkung schnell eintritt und nach dem Absetzen der Tabletten auch rasch wieder aufhört. Das erleichtert die Planung von Operationen. Die neuen Wirkstoffe sind allerdings auch teurer als die seit langem verfügbaren. Auf dem Markt sind derzeit Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban und Dabigatranetexilat.

Selektive Faktor-Xa-Hemmer

Recht neu auf dem Markt sind selektive Faktor-Xa-Hemmer, die direkt am Gerinnungsfaktor Xa wirken. Sie werden über eine Spritze subkutan verabreicht. Bisher ist nur der synthetisch hergestellte Wirkstoff Fondaparinux zugelassen. Er steigert die Wirkung des natürlichen Gerinnungshemmers Antithrombin um den Faktor 300. Er wird vor allem nach orthopädischen Eingriffen und anderen Operationen eingesetzt. Insbesondere für Menschen, die auf Heparin allergisch reagieren, bietet Fondaparinux eine gute Alternative.

Natürliche Blutverdünner

Heilpraktiker*innen sowie Naturheilkundler*innen schreiben verschiedenen Nahrungsmitteln eine blutverdünnende Wirkung zu. Sie empfehlen etwa Cassia-Zimt wegen des darin enthaltenen Cumarins als Alternative zu Antikoagulantien. Allerdings kann Cumarin schon in relativ kleiner Dosis die Leber angreifen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät deshalb von der Einnahme von größeren Mengen Cassia-Zimt ab. Außerdem wirbt die Alternativmedizin häufig für folgende pflanzliche Blutverdünner, deren medizinische Wirkung allerdings nicht durch zuverlässige wissenschaftliche Studien belegt ist:

  • Kurkuma
  • Ingwer
  • Knoblauch
  • Ananas
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Brennnessel
  • Ginseng

Nebenwirkungen der Blutverdünner

Antikoagulantien werden eingesetzt, um die Blutgerinnung zu reduzieren. So kann Thrombosen vorgebeugt werden. Bei einer Verletzung oder Operation jedoch kann die verminderte Blutgerinnung zum Problem werden. Wunden bluten länger und stärker. Kleine Stöße (Traumata) können schnell zu Blutergüssen führen. Außerdem besteht die Gefahr von Magenblutungen. In seltenen Fällen können Hirnblutungen auftreten. Wer Blutverdünner einnimmt, sollte einen entsprechenden Ausweis mit sich führen – so kann im Falle eines Unfalls das Krankenhauspersonal die Behandlung auf die bestehende Medikation abstimmen. Auch vor einer Zahnbehandlung oder Magen-Darm-Spiegelung sollte das Personal über die Einnahme von Blutverdünnern informiert werden.

Bei Heparin kann eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) auftreten, wenn der Körper Antikörper bildet, die Thrombozyten aktivieren. Unter dieser Nebenwirkung leiden insbesondere Menschen, die früher schon einmal mit Heparin behandelt wurden.

Die Verringerung von Vitamin K im Stoffwechsel durch Vitamin-K-Antagonisten hat einen negativen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel. Sowohl Cumarine als auch Heparine stehen im Verdacht, das Risiko für Osteoporose (Knochenschwund) zu erhöhen.

Antikoagulantien: Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Verschiedene Blutgerinnungshemmer können sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Doch es gibt diverse weitere Wirkstoffe, die die Funktion der Blutverdünner beeinflussen. Deshalb sollte die Einnahme zusätzlicher Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder Antiallergika immer bei der Verschreibung von Antikoagulantien mitgeteilt werden. Besonders bei Vitamin K-Antagonisten gibt es viele Wirkstoffe, die den Kaliumspiegel im Körper verändern. Alkohol und Nikotin interagieren ebenfalls vielfach mit Blutverdünnern. Auf beides sollte deshalb bei der Anwendung von Antikoagulantien möglichst verzichtet werden.

Kontraindikation gegen Blutverdünner

Wer eine eingeschränkte Nierenfunktion oder eine Lebererkrankung hat, sollte Blutverdünner nur nach ausführlicher Nutzen-Risiko-Abwägung einnehmen. Geschwüre in Darm oder Magen sprechen ebenfalls gegen die Behandlung mit Blutverdünnern. Schwangere oder stillende Frauen dürfen nur Heparine verwenden, keine der anderen Antikoagulantien. Kontaktsportarten mit einem großen Verletzungsrisiko sollten während der Anwendung von Blutverdünnern vermieden werden.

Blutverdünner und Corona

Wer Blutverdünner nimmt, kann sich problemlos gegen Covid-19 impfen lassen. Betroffene sollten anschließend fünf Minuten lang fest auf die Einstichstelle drücken und eher etwas länger als die vorgeschriebenen 15 Minuten zur Nachbeobachtung bleiben.

In der Behandlung von Covid-19-Patienten werden häufig Blutverdünner eingesetzt, um die immer wieder auftretenden Blutgerinnsel zu vermeiden. New Yorker Ärzte konnten in einer Studie durch den Einsatz von Antikoagulantien die Sterblichkeitsrate in Folge von Thrombosen um 50 Prozent reduzieren.