Kawasaki-Syndrom: Arzt untersucht die Zunge und misst Fieber bei betroffenem Mädchen.
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Erkennen und richtig handeln

Kawasaki-Syndrom: Wenn sich die Blutgefäße entzünden

Von: Jenni Graf (Medizinautorin)

Selten, unter Umständen aber risikobehaftet: das Kawasaki-Syndrom. Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Kindern auf und geht mit einer Entzündung der Blutgefäße einher. Wird sie rechtzeitig behandelt, heilt sie meist ohne Folgen ab. Was müssen Eltern wissen?

Was ist das Kawasaki-Syndrom?

Beim Kawasaki-Syndrom (auch Kawasaki‘s Disease) handelt es sich um eine akute Entzündung der Blutgefäße, die auf den ganzen Körper übergreifen kann. In der medizinischen Fachsprache ist die Erkrankung auch als mukokutanes Lymphknotensyndrom (MCLS) bekannt. Betroffen sind vor allem kleine und mittelgroße Arterien, insbesondere Abzweigungen von der Aorta.

Typischerweise erkranken Kinder im Alter von etwa 1 bis 8 Jahren am Kawasaki-Syndrom, seltener tritt es auch bei Babys oder Jugendlichen auf. Jungen erkranken häufiger als Mädchen. Im östlichen Asien, speziell in Japan, sind höhere Fallzahlen bekannt. In Deutschland kommt das Syndrom durchschnittlich bei etwa 7 von 100.000 Kindern vor. Hierzulande zählt das Kawasaki-Syndrom somit zu den seltenen Erkrankungen. Im Winter kann es stärker in Erscheinung treten.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache des Kawasaki-Syndroms ist noch nicht abschließend geklärt. Forscher*innen diskutieren aktuell ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. So könnte die Kombination aus einer genetischen Veranlagung, Umwelteinflüssen (beispielsweise Klimabedingungen) und Infektionskrankheiten den Ausbruch begünstigen.

Coronavirus und Kawasaki-Syndrom?

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 wird immer wieder von einem verstärkten Auftreten des Kawasaki-Syndroms berichtet. Nach aktuellem Stand handelt es sich hier tatsächlich nicht um Kawasaki, sondern um eine Krankheit mit sehr ähnlichem Beschwerdebild. Ärzt*innen sprechen vom COVID-19 assoziierten multisystemischen inflammatorischen Syndrom (MIS-C). Hier fällt auf, dass vermehrt Jugendliche und Erwachsene betroffen sind. Die Behandlung ähnelt der des Kawasaki-Syndroms.

Typische Symptome beim Kawasaki-Syndrom

Die Beschwerden des Kawasaki-Syndroms entstehen, weil sich die Wände der Blutgefäße entzünden. Da der gesamte Körper von diesen Entzündungen betroffen sein kann, entwickeln sich einige charakteristische Symptome:

  • Fieber (häufig über 39 Grad Celsius und mindestens 5 Tage lang anhaltend, schwer zu senken)
  • gerötete Augen (ohne Ausfluss) bis hin zu Bindehautentzündungen auf beiden Augen
  • Hautausschläge (insbesondere im Bereich von Rumpf und Genitalien sowie im Mund, meist ohne Juckreiz)
  • tiefrote Zunge (sogenannte Erdbeerzunge)
  • gerötete, trockene Lippen
  • geröteter Hals
  • geschwollene Lymphknoten im Halsbereich
  • geschwollene Finger, Hände und Füße
  • gerötete oder bläulich rote Handflächen und Fußsohlen
  • im weiteren Verlauf Abschälen der Haut an Fingern und Zehen

Dazu können außerdem weniger eindeutige Verdauungsbeschwerden kommen, wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Mitunter klagen betroffene Kinder auch über Husten, Ohrenschmerzen und Mittelohrentzündungen.

Wichtig für Eltern: Nicht alle Symptome müssen gleichzeitig auftreten. Bei Babys kann es generell schwierig sein, das Kawasaki-Syndrom zu erkennen. In ihrem Fall fehlen häufig die klassischen Symptome. Die Rede ist dann vom inkompletten Kawasaki-Syndrom.

Diagnose: Wie wird das Kawasaki-Syndrom festgestellt?

Meist kann bereits anhand der auftretenden Symptome auf das Kawasaki-Syndrom geschlossen werden. Eltern sollten sämtliche Beschwerden beschreiben und äußerlich sichtbare Krankheitszeichen in Augenschein nehmen lassen.

Verwechslungsgefahr besteht unter Umständen mit typischen Kinderkrankheiten wie Scharlach oder Autoimmunerkrankungen, die ebenfalls mit Entzündungen einhergehen. Weiterführende Untersuchungsmethoden sind daher sinnvoll: Der*die Ärzt*in wird das Blut untersuchen – beispielsweise im Hinblick auf Entzündungswerte, Leberwerte und Herzenzyme – sowie einen Rachenabstrich nehmen. Das klärt die Frage, ob Erreger die Entzündungsreaktion angestoßen haben könnten.

Spätestens sobald die Diagnose „Kawasaki-Syndrom“ steht, gilt es, das Herz genau zu überprüfen. Mittels regelmäßiger Elektrokardiografien (EKG) und Ultraschalluntersuchungen lässt sich der Zustand des Hohlmuskels beurteilen. Greift die Erkrankung auf die Herzkranzgefäße über, erhöht sich das Risiko für gefährliche Komplikationen und Langzeitschäden. Je früher die Herzbeteiligung erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose.

Behandlung: Was gibt es beim Kawasaki-Syndrom zu beachten?

Da der konkrete Auslöser des Kawasaki-Syndroms nicht vollständig geklärt ist, steht eine ursächliche Therapie aktuell nicht zur Verfügung. Stattdessen verordnen Ärzt*innen primär entzündungshemmende Medikamente:

  • iv-Immunglobuline (per Injektion verabreichte Antikörper)
  • Acetylsalicylsäure in hoher Dosierung (unterstützt auch bei der Fiebersenkung)
  • Glucocorticoide (bei schweren Verläufen, insbesondere wenn bereits zu Beginn die Herzkranzgefäße angegriffen sind)

Antibiotika zeigen beim Kawasaki-Syndrom keine Wirkung. Sie sind grundsätzlich nur bei bakteriell bedingten Erkrankungen relevant.

Um den weiteren Verlauf zu beobachten, werden Kinder mit dem Kawasaki-Syndrom in der Regel im Krankenhaus behandelt. Der Krankenhausaufenthalt dauert dann meist mehrere Wochen, bis zur vollen Genesung. Kommt es zu Komplikationen, schließt die Behandlung des Kawasaki-Syndroms auch deren Therapie mit ein. Bei einer Entzündung der Herzkranzgefäße können beispielsweise Gerinnungshemmer oder sogar Operationen notwendig werden.

Prognose und Verlauf

Das Kawasaki-Syndrom hält in der Regel bis zu 12 Wochen an, selten sind längere Verläufe bekannt. Für die Prognose der kleinen Patient*innen ist entscheidend, ob die Entzündungen auch die Herzkranzgefäße betreffen. Greifen sie das Herz an, besteht die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen. Gegebenenfalls entstehen Aneurysmen oder Gefäßverengungen bis hin zum Herzinfarkt.

Ansonsten ergeben sich mitunter Langzeitfolgen, wenn sich die Entzündungen von den Blutgefäßen auf das umliegende Gewebe ausbreiten. Hiervon können unter anderem Bauchspeicheldrüse, Nieren oder auch das Gehirn betroffen sein.

Eine rechtzeitige, passende Therapie des Kawasaki-Syndroms senkt das Risiko für solche Komplikationen und Folgeschäden maßgeblich. In diesem Fall – und wenn die Erkrankung nicht trotzdem die Herzkranzgefäße angreift –, genesen die meisten Kinder vollständig. Zur Sicherheit sind über die folgenden Monate und Jahre hinweg regelmäßige Untersuchungen des Herzens angezeigt.